Mediensonntag und Hans-Martin

Samstag Abend in der Messe  habe ich während der Fürbitten gestutzt. Üblicherweise wird für die Armen, die Kranken, die Alten, die Mutlosen und viele andere Gruppen gebetet, aber die folgende Fürbitte hat mich dann doch erstaunt:

„Wir beten für alle Menschen, die das Internet und andere neue Kommunikationsmittel nutzen: Gib ihnen die Kraft, sich für eine Kultur des Respekts, des Dialogs und der Freundschaft einzusetzen.“

Ich fand die Fürbitte gut, habe nicht weiter darüber nachgedacht, bis ich dann ausgerechnet auf Twitter heute Morgen wieder auf das Thema aufmerksam wurde.

Robert Eberle, der twitternde Sprecher des Bistums Limburg, wies mich daraufhin, dass heute Mediensonntag ist.

Mediensonntag, davon hatte ich noch nie gehört und das Ganze dann natürlich direkt gegoogelt. Auf der Internetseite Katholisch.de findet man das Ziel des Mediensonntags:

„Der Mediensonntag der katholischen Kirche wird in Deutschland jedes Jahr am zweiten Sonntag im September begangen. Er will das öffentliche Wirken der katholischen Kirche unterstützen, ein Bewusstsein für technische Kommunikationsmittel wecken und die sinnvolle Mediennutzung fördern.“

Ich finde es sehr gut, dass die Kirche sich den Medien öffnet. Auch die Worte von Papst Benedikt zeugen von Verständnis für neue Medien und enthalten viele gute Gedanken:

„Der Wunsch nach Beziehung und das Verlangen nach Kommunikation – in der zeitgenössischen Kultur so selbstverständlich – sind in Wahrheit nichts anderes als moderne Ausdrucksformen der grundlegenden und beständigen Neigung der Menschen, über sich hinauszugehen und in Beziehung zu anderen zu treten. Wenn wir uns den anderen zuwenden, stillen wir in Wirklichkeit unsere tiefsten Bedürfnisse und werden in einem umfassenderen Sinn Mensch.“

Es lohnt sich die gesamte Botschaft des Papstes zu lesen. Ich finde sie sehr treffend und verständnisvoll für einen Mann seines Alters und oberstes Haupt einer Kirche, die nicht gerade für ihre Begeisterung gegenüber Neuerungen bekannt ist.

Vom Mediensonntag zu „HassMartin“

Ich wünschte mir auch, dass die Menschen die gestern meinten auf Twitter den Kandidaten von „Schlag den Raab“ verbal auf niedrigste Art und Weise angreifen zu müssen, würden ein wenig über diese Worte reflektieren. Ich war schlicht und ergreifend fassungslos, wie innerhalb von Stunden ein Account mit dem Namen @Hassmartin über 400 Follower haben konnte. Die Botschaften auf Twitter und in anderen Medien bewegten sich dabei auf dem Niveau einer nach unten offenen Richterskala. Vielleicht darf man über Menschen, die das Licht der Öffentlichkeit suchen und sich unmöglich benehmen, lästern. Aber die Art und Weise wie das gestern geschehen ist, hat für mich jeden Rahmen gesprengt.

Und zu allen die meinen, das habe er ja herausgefordert: Es ist also ok, jemand der unsympathisch ist, den Besserwisser spielt und der vielleicht unerträglich arrogant ist:

  • zu unterstellen er leide am Asperger Syndrom
  • zu äußern man würde 50.000 € bieten um ihm „auf die Fresse zu schlagen“
  • zu unterstellen: Bei Hans Martins Geburt wusste der Arzt nicht wo er drauf klopfen sollte. Der ganze Kerl ein Arsch!! (@drcox1982)
  • ihn als Anus zu bezeichnen wie @mrfleko das tut
  • zu verlautbaren #hansmartin mag keiner und wird auch in zukunft keinen mögen. Egal ob mit oder ohne 500.000. (woher weiß @sehrunkreativ das? Ist sie das Maß aller Dinge?)
  • zu sagen: oh jonny, warum hast du #hansmartin ins gesicht geschissen (@bartschuli)
  • auszurufen wie @13th_monkey Gott wie ich ihn hasse!!!

Auf StudiVZ und Facebook werden HassMartin Gruppen gegründet. Eine Gruppe bei Facebook heißt: „Ich könnte Hans-Martin pausenlos die Fresse polieren!!!!!!!!!“ Die Ausrufezeichen gehören übrigens zum Namen. Diese Gruppe hat 620 Mitglieder.

Auf StudiVZ heißt die Gruppe: Die große Anti-Hans-Martin Gruppe“ und hat 659 „Freunde“.

Ich habe die Sendung gestern Abend nicht gesehen. Und egal wie unmöglich der Kandidat war, zu solchen Äußerungen hätte ich mich nicht hinreißen lassen. Haben all die armen Menschen die sich im Social Web (das gestern den Namen Social wirklich nicht verdient hat) keinen Ausschalter am Fernsehen? Mussten sie das Ganze wirklich bis zum bitteren Ende anschauen um dann einen Aufruf zu starten, Hans-Martin nach der Show aufzulauern?

Glücklicherweise gibt es im Netz auch noch andere Stimmen:

Und den erhellensten Artikel von allen hat Stefan Niggemeier in der FAZ geschrieben: „Schlag den Raab: Wie man eine halbe Million er- und alle Sympathien verspielt“

Vielleicht sollten wir alle öfter mal über diese Aussagen nachdenken:

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte;

Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten;

Achte auf deine Taten, denn sie werden zu Gewohnheiten;

Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter;

Achte auf deinen Charakter, denn er wird zu deinem Schicksal

Diese Weisheit soll aus dem Talmud stammen. Und so schließt sich der Kreis zur Religion wieder.
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8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Sehr schöner Beitrag, der ziemlich genau mein Empfinden trifft.
    Besonders herzlichen Dank für die Aussagen am Ende: Sie haben mich zum Nachdenken gebracht – über Achtung und Selbstachtung.

  2. mich stört #hass generell, auch und gerade gestern störte mich dieser #hashtag, deine Gedanken stimmen nachdenklich, nur habe ich erhebliche Zweifel an der Kommunikationsfähigkeit der Kirchen jenseits der Fürbitten und Hirtenbriefen…das darf man dabei nicht vergessen…
    Küng, Drewermann, all diejenigen denen der Mund verboten wurde, die Lehrerlaubnis entzogen, Berusverbot erteilt wurde, von den vielen unbekannteren nicht zu schweigen

    #ichmeinjanur

    trotzdem und deswegen wünsche ich einen schönen Sonntag.

  3. @michallein danke für den netten Kommentar

    @mikel danke für deinen Kommentar. Bestimmt sind die Kirchen in Punkto Kommunikation nicht immer nur leuchtende Vorbilder. Ich habe mich hier auf den Mediensonntag und die ganz konkreten Worte von Papst Benedikt bezogen und die fand ich gut. Dass es vieles in der Kirche gibt, was freundlich formuliert stark verbesserungswürdig ist, das ist nicht zu leugnen 😉

  4. Ein sehr schöner Blogbeitrag, der mich sehr anspricht. Vielleicht saß ja der eine oder andere im Gottesdienst, der am Abend zuvor bei Twitter beim Kandidatenbashing mitgemacht hat und dann etwas nachdenklich wurde.

    Gestern Abend war ich weder auf Twitter, noch habe ich Raab gesehen. Ich denke aber nicht, dass irgendein Verhalten eines Kandidaten so eine Reaktion rechtfertigt. Mir ist schon bei andern Anlässen aufgefallen, dass die Äußerungen im Internet schnell eskalieren. Beispielsweise habe ich nach diesen Supertalent-Sendungen Kommentare bei You-Tube gesehen, wo Kinder wegen ihres Gesangs fertig gemacht wurden. Kinder, die alle sehr begabt waren. Und warum? Weil die Leute zu einem anderen Kandidaten hielten. Ich war damals fassungslos. Man kann doch die Leistungen des Gegeners anerkennen und trotzdem eine Vorliebe haben.

    Ich verstehe nicht, woher die große Agressivität im Internet kommt. Ist es die Anonymität? Oder würden die Leute die gleichen Kommentare auf der Arbeit, an der Uni, in der Schule loslassen? Ist es einfach eine allgemeine Entwicklung in unserer Gesellschaft? Oder komme ich durchs Internet mit Menschen zusammen, die ich im normalen Leben nie getroffen hätte, und deren Stil ich nicht kenne?

    Mit macht Twitter Spaß. Sollte so etwas aber häufiger vorkommen, dann werde ich mich wieder abmelden – Teil von etwas derart Negativem möchte ich nämlich nicht sein.

  5. @Bea: danke für den Kommentar. Tolle Arbeit die ihr macht…

    @Daniela: Danke für diesen sehr ausführlichen Kommentar, der die Finger in die richtigen Wunden legt. Du stellst genau die Fragen die ich mir auch stelle. Im normalen Leben wird diese Aggression wohl meistens unterdrückt und im „anonymen“ Netz darf sie dann ungefiltert raus.

  6. Es tut gut, auch mal solche Gedanken im Netz lesen zu dürfen – gerade als Kontrapunkt gegenüber der Gedankenlosigkeit mit der so manche(r) die vielbeschriebene Anonymität des Netzes nutzt um … ja um mal so richtig jemand anderes runterzumachen.

    Und doch ist das, was in den unterschiedlichen Foren und Plattformen vor sich geht, letztlich leider nur ein Spiegelbild unserer „realen“ Gesellschaft.
    Ich habe „Schlag den Raab“ gesehen, wenn auch nicht komplett, weil ich mit meiner Tochter noch zuvor „Frag doch mal die Maus“ geguckt hab – aber was ich gesehen hab, war von Seiten des Saalpublikums schon das Vorspiel dessen, was sich später dann im Netz noch drastischer fortgesetzt hat.

    Ich fand die Sendung selbst, mit ihren Spielen und Herausforderungen, spannend und originell und hab mich für den Kandidaten gefreut, der zuletzt doch gegen einen starken Stefan Raab gewonnen hat.
    Allerdings sollte auch Stefan Raab sich fragen, ob er nicht zu sehr polarisiert und durch seine Art des Umgangs mit anderen das Publikum manipuliert und Stimmungen aufheizt.

    Anderen etwas gönnen und sich für jemanden zu freuen – auch wenn man ihn vielleicht nicht kennt, kann offenbar auch nicht mehr jeder … das hat dieser Abend nochmals eindurcksvoll bestätigt.

    Schade eigentlich.

  7. …und auch hier bewahrheitet sich folgender spruch eines unbekannten weisen:
    wer über sich hinausgehen möchte, sollte erst einmal in sich hineingehen.
    danke andrea für deine wie immer sehr anregenden gedanken…

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