Der Preis ist ….

…reell?

…überzogen?

….eine Veralberung?

Heute Morgen in meinem Mailpostfach: eine freundliche Aufforderung von Amazon doch mal in ihrem Laden vorbeizuschauen, da gibt es nämlich Kalender, und die sind nicht nur schön, sondern auch bis zu 30% im Preis reduziert. Und wer jetzt meint, Amazon wollte seine Restanten verschleudern, um Platz für neue Ware zu schaffen, der täuscht sich. Dieses tolle Angebot, immerhin fast 1/3 Rabatt auf den eigentlichen Kaufpreis, bezieht sich mitnichten auf alte Ware, sondern auf niegelnagelneue Kalender. Die für 2011.

Jetzt frage ich mich wirklich, wer im August schon Kalender für das nächste Jahr kauft. Die Early-Weihnachtsshopper? Leute mit Panik, dass der Welt Papier und Druckerschwärze ausgehen könnte und sie daher kalenderlos ins nächste Jahr starten müssten? Ich weiß es nicht.

Mal abgesehen von der Tatsache, dass dieses asynchrone Verkaufen von Waren Rhythmen durcheinanderbringt (Lebkuchen im August, Erdbeeren im Dezember, Sommerkleidchen im Februar), was mich wirklich in Rage gebracht hat, sind die 30% Rabatt die eingeräumt werden.

Als Verbraucher frage ich mich da ein paar Sachen, z.B. wie können die das machen? Verdient da noch jemand dran? Und wenn ja wer? Und des Weiteren, wenn noch daran verdient wird, ist dann der Preis, den ich üblicherweise zahlen soll, nicht total überzogen?

Welcher Verbraucher weiß schon, wie oft das Gesetz gebrochen wird, dass den Verkauf unter Einstand verbietet? Oder wie sehr Lieferanten bis  über die Grenze des Machbaren hinaus getrieben werden, nur um den Kunden nicht zu verlieren und in der Hoffnung vielleicht beim nächsten Auftrag noch mal auf ihre Kosten zu kommen.

Das kann der sich für mündig haltende, schnäppchenjagende Verbraucher ja auch nicht wissen, wie auch. Was sich ihm präsentiert, sind Firmen die anscheinend lukrative Angebote unterbreiten, bei denen doch bestimmt alle im Spiel Beteiligten noch etwas verdienen, sonst würden sie es ja bestimmt nicht machen.

Und so erzieht man Schnäppchenjäger und Menschen, die von allem den Preis und von nichts mehr den Wert kennen, wie es Oscar Wilde mal so treffend formulierte. Mit unserem immer nur auf Billig schielen und nicht unsere Verantwortung als Einkaufende wahrnehmend und Preise hinterfragend, sind wir doch mit Schuld daran, wenn Discount Kleidungsketten ihre  Mitarbeiter und ihre Lieferanten ausbeuten, immer mehr Bauern die Landwirtschaft aufgeben müssen, weil sie nicht genug für ihre Grundnahrungsmittel erzielen, wenn der örtliche Metzger oder Bäcker mit seinen Waren, die zu einem reellen Preis angeboten werden, kein Geld mehr verdienen kann und Menschen zu Jobs gezwungen werden,  mit denen sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können.

Ich rede jetzt nicht von den Menschen, die wirklich auf die Angebote der Discounter angewiesen sind, sondern von Menschen mit normalen Einkommen, die nicht jeden Cent 2-mal umdrehen müssen. Sondern die sich nicht nur den Luxus von guten Waren, sondern auch den Luxus eines guten Gewissens leisten können. (Und nein ich unterstelle nicht, dass Menschen mit geringem Einkommen kein Gewissen haben, sondern dass es wesentlich einfacher ist, wenn man mehr Geld zur Verfügung hat)

Natürlich ist an all dem, was ich anprangere, nicht Amazon mit seiner Mail von heute Morgen Schuld und auch nicht Praktiker mit seinem: 20% auf alles, außer auf Tiernahrung (habt ihr euch schon mal gefragt warum? Die Antwort ist ganz einfach. Tiernahrung hat nicht so viel Spanne, als dass sie eine 20% Preisreduktion vertragen könnte.)

Ich finde es unglaublich schade, dass die deutschen Händler im Gegensatz zu ihren ausländischen Kollegen anscheinend nur ein Marketinginstrument beherrschen: den Preis.

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10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Stimme dir zu. Ich kenne die Margen aus dem UE-Bereich (Hifi, TV, etc) und kann sagen, dass 30% Rabatt für jeden Einzelhändler ruinös wären, das können sich nur die skrupellos über die Kadaver der Kleinen gehenden Großketten leisten, die mit Stückzahlen und Druck auf ihre Lieferanten (die den natürlich wieder nach unten weitergeben müssen). Im Klamottenbereich sind 30% ja auch eher die Regel, der Handel hat hier deutlich bessere Spannen, aber der Mechanismus ist der gleiche, und das Nachsehen haben die Näherinnen und Baumwollproduzenten in Dritte-Welt-Ländern. Naja, lassen wir das mal sein mit den ethischen Konsequenzen – das Verhältnis zu einer Ware und zu ihrem Wert wird durch diese Preisstrategien jedenfalls komplett versaut.

  2. „Rabatt – weiß man aus alten Tagen – wird vorher erstmal draufgeschlagen!“ So lautet eine alte Verkäuferweißheit. Bei Kalendern weiß ich es nicht genau, aber von mir als Verleger verlangt Amazon rund 60% Rabatt auf den festgelegten Buchpreis. Das heißt nach den Kosten für die Produktion, Autor und meine Gewinnmarge schlage ich 60% noch drauf üm meinen Listenpreis zu erhalten. Das macht übrigens nicht nur Amazon, sondern alle Buchgroßhändler so.

    Wenn das bei Kalendern auch so ist – was ich vermute – ist es dann leicht 30% Rabatt zu geben – hat man ja immer noch Gewinn gegenüber dem Einkauf.

  3. @Michael im UE-Bereich konnte ich mir sowas schon denken. Wenn man manche Preise so sieht, z.B. 34 € für einen DVD Player, frage ich mich auch, wie so was von der Herstellung, über den Transport und die Handelsspanne für alle Beteiligten, machbar sein soll.

    @Peter und genau das ist ja auch das Problem. Bei den einen Produkten reicht es nicht zum Leben für die Produzierenden und die Angebote sind unter Einstand und bei den anderen wird ein Nachlass vorgegauckelt, der keiner ist. Was übrig bleibt ist das schale Gefühl permanent über den Tisch gezogen zu werden.

  4. Du triffst wieder mal den Kern. Danke, Andrea.

    Und wenn Praktiker auch Lebensmittel anbieten würde, dann wüssten wir auch, dass da auch keine solchen Spannen für Rabatte drin sind…denn dann würde Praktiker die auch ausklammern müssen.

    Das führt in noch ganz andere Sphären – unsere LEBENS-Mittel, Mittel zum Leben. Verschleudert zum Spottpreis, unterdrückt („Tiere essen“) und mit Pseudo-Bio-Verpackungen den großen Reibach machen. Wieviele Landwirte sind hierzulande schon kaputtgegangen… die Kleinen, die Nebenerwerbler.

    Es ist ein riesengroßes gesamtgesellschaftliches Problem – und es fängt vielleicht genau da an: an der Gier, immer mehr für immer weniger Geld haben zu wollen.

    Ich finde es sehr schwer, da wirklich ethisch zu handeln und „sauber“ einzukaufen. Man müsste sich permanent mit allen Zusammenhängen informieren, müsste selbst Ökobilanzen aufstellen… zeitintensive Tätigkeit und dann nimmt man eben das, was einem von den Medien präsentiert wird. Grünes Design? Dann wird´s schon irgendwie ökologisch sein.

    Ganz anderes Beispiel: Aktuell diskutiere ich mit meinem Mann über Elektroautos. Was in der Bilanz oft vergessen wird: Wenn ich an der Steckdose tanke, dann ist unser deutscher Strom, der überwiegend aus Kohle gemacht wird, schon nur noch 30% seiner ursprünglichen Energie wert. Dann noch den Wirkungsgrad eines Elektromotors und Batterien/Akkus… irgendwann ist nämlich der Benziner wieder umweltfreundlicher.

    Es spielen mittlerweile so viele Faktoren in unsere Märkte hinein, dass es für den Einzelnen schier unmöglich ist, wirklich ethisch zu entscheiden.

    Eine Ethik im Markt kann eigentlich nur entstehen, wenn ich mich permanent frage: Was und wieviel brauche ich wirklich? Und wie kann ich lokale Erzeuger unterstützen?

    Liebe Grüße, Claudia

  5. Liebe Claudia, du hast absolut Recht. Es ist für den Einzelnen fast nicht mehr zu leisten, alle Zusammenhänge zu durchschauen und ethisch zu konsumieren (mal ganz abgesehen davon, wie man das definieren würde). Aber ab und zu mal innezuhalten und Dinge kritisch zu hinterfragen halte ich (und du ja auch) trotzdem für wichtig. Und wie du so treffend anmerkst, die Gier immer mehr für immer weniger zu bekommen, ist ein Teil des Übels.

    Bei den viel gepriesenen Elektroautos kann ich mich immer nur wundern und mit dem Kopf schütteln. Kommt bei mir immer so an wie: Strom kommt ja aus der Steckdose. Solange Strom nicht zum größten Teil aus erneuerbaren Energien kommt, kann ich da leider keinen großen Fortschritt erkennen.

  6. Nun, zumindest was den Strom zuhause angeht, kann jeder sehr einfach tätig werden (Lichtblick, Greenpeace Power….) Natürlich muss man auch da darauf vertrauen, dass die entsprechenden Verbrauchsmengen dann wirklich aus erneuerbaren Quellen (bevorzugt Windkraft) ins Netz eingespeist werden. Öffentliche Ladestationen sollten per se nicht aus Kohle/Atomkraft gespeist werden.

    Das größere Problem der E-Autos sind aber die Batterien an : ganz abgesehen vom Impact der Herstellung ist Lithium nun mal auch endlich, und wir werden bei einem absehbar rasant steigenden Bedarf da trotz Recycling sehr schnell eine neue Ausbeutfront aufmachen müssen (sei es ökologisch oder sozial). Wirklich sauber dürften wir auf Dauer nur mit Brennstoffzellen fahren, deren Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt wurde, und mit Ansätzen wie dem ultraleichten City Car des ehemaligen McLaren-F1-Designers, dessen Materialien zu xx% recycelt wurden (hab den Namen jetzt nicht parat)..

    Ansonsten lautet die Devise: lokal kaufen, so viel es geht, Kleidung aus vertrauenswürdigen Quellen kaufen, auch wenn das höherer Preise bedeutet – für die, die es sich leisten können, und aktiv auf Herstellungsorte zu achten (der Gedanke, dass durch den Kauf meines Esstischs + Sitzbank ein Münsterländer Familienunternehmen einen guten Wochenlohn erwirtschaftet hat, und nicht ein multinationaler Konzern den Bruchteil eines Promills mehr Umsatz hatte, tröstet…). Das zieht natürliche eine quantitave Reduzierung der Einkaufsmenge nach sich, aber ich glaube, dass das den meisten eher gut tut als schlecht… 😉

  7. Erst Samstag habe ich in einer Zeitschrift dazu eine sehr informative Statistik gelesen (auch wenn ich sie nicht selbst gefälscht habe, traue ich ihr mal). Es ging darum, dass wir Deutschen im Vergleich mit anderen euopäischen Ländern (mit Ausnahme von England) mit Abstand am wenigsten für unsere Lebensmittel ausgeben. Dass Discounter mit ihren Dumpingpreisen ein völlig falsches Gefühl für den Wert von Lebensmitteln vermitteln, viel zu viel gekauft und dann später nicht konsumiert, sondern weggeschmissen wird. Da kaufe ich doch lieber etwas teurer und weniger, dafür aber aus der Region ein und muss am Ende nichts wegschmeißen.
    Ein ganz toller Artikel, der mir wirklich aus der Seele spricht.

  8. Zurück zum eigentlichen Thema:

    Der Verkauf von Kalendern ist ein Saisongeschäft und ein sicheres obendrauf. Der Endverkaufspreis eines solchen (Foto-/Wand-) Kalenders ist keiner, der sich an Produktion, Rohstoffpreisen oder Lohnstückkosten orientieren müsste. Bei einfachen Business-Kalendern, die man als Werbegeschenk bekommt oder verschenken kann ist das sicherlich anders.

    Die Preisfindung hier orientiert sich meiner Einschätzung nach daran, was ein Endverbraucher bereit ist, für einen solchen Kalender auf den Tisch zu legen. Motiv, Größe, Emotion bestimmen den Preis.

    Nun kauft der sogenannte Endverbraucher seinen Kalender vermutlich im November oder Dezember. Möchte man mehr Kalender verkaufen, bleibt nur das Anbieten zu einem geringeren Preis bevor die Saison startet. Der erzielbare Verkaufspreis eines Kalenders sinkt rapide, hat das neue Jahr erst einmal begonnen.

    Deshalb ist für mich hier die Strategie von Amazon absolut nachvollziehbar.

    In einem Punkt kann ich dich bestätigen: Den Preis, den du im November/Dezember für einen Kalender bezahlst, ist vermutlich total überzogen. Egal ob du ihn bei Amazon oder in der Buchhandlung deines Vertrauens oder beim Discounter um die Ecke kaufst.

  9. Marco, du erklärst uns die Hintergründe für ein immer noch kritikwürdiges Gebaren. das macht diese Praktiken vielleicht begründbar, aber nicht vertretbarer. Und ich muss dir widersprechen: für die Buchhandlung meines Vertrauens ist der Normalpreis wahrscheinlich gerechtfertigt und nicht überzogen, denn die verkauft vielleicht 40 Stück im Jahr davon, und dann sind fiktive 8 Euro Marge bei 20 Euro Verkaufspreis notwendig. Das, was jeder Einzelhändler an einem Artikel verdienen MUSS, um zu überleben. Das ist „Normal“ und Preis-Wert, wenn die Qualität den 20 Euro entspricht. Leider verschiebt sich unsere Wahrnehmung von „normalen“ Preisen hin zu dem, was nur noch in der Masse leistbar ist und die meisten Menschen wissen oft gar nicht mehr, was Qualität bedeutet (siehe McDonalds). Das mag der Lauf der Dinge sein, gut finde ich es nicht. Vielleicht hör ich mich ja sozialromantisch an, aber ich finde, dabei geht die „Seele“ eines Produkts verloren (gerade bei Dingen wie Möbeln, Kleidung, feinem Backwerk…)

  10. @Michael es gibt wirklich schon einiges was wir heute schon tun können.
    Regionaler Einkauf, wie @Mondscheinblume es auch thematisiert gehört auf alle Fälle auch dazu. Nicht, dass vor der Haustür alles Gold ist was glänzt, aber man kann sich ein viel besseres Bild verschaffen und die Ökobilanz dürfte immer besser sein. Außer natürlich man fährt mit seinem SUV von Bauernhof zu Bauernhof, da ist die Umweltbilanz auch direkt wieder im Eimer.

    @Marco ist bestimmt richtig was du schreibst, aber ich sehe es ähnlich wie @Michael in seinem letzten Kommentar. Der Laden vor Ort hat mit ganz anderen Kostenstrukturen zu kämpfen wie ein Online-Händler und der eine gewisse Marge zum Leben braucht. All dies geht uns verloren, es bleibt nur das Gefühl: Bitte es geht doch billiger. Warum der Online Händler andere Preise machen kann und warum der Laden vor Ort deutlich teurer sein muss und dennoch einen faireren Preis verlangt, das durchschaut doch keiner mehr.

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