Social Media bringt Unternehmen zurück ins Mittelalter

Liebe Blogleser-Innen, ich bitte um eure Unterstützung. Morgen habe ich Abgabetermin für einen Text für die IHK Zeitung: Wirtschaft im Saarland. Das Thema: Social Media. Die Mehrzahl der Leser: Social Media unerfahren bis kritisch. Bitte sagt mir, ob mein Text das Thema korrekt beleuchtet und ein wenig zum Verständnis beitragen kann. Bitte macht von der Kommentarfunktion reichlich Gebrauch.

Social Media ist doch „The next big thing“. Überall werden Vorträge dazu gehalten. Selbst die Holzmedien sind voll davon. Und jetzt komme ich und erzähle was von Mittelalter?

Aber wie war es denn im Mittelalter? Meist gab es einem Markttag in der Woche für die umliegenden Bauern und einem großen Markttag im Jahr, an dem sich auf dem Marktplatz eine große Anzahl von Händlern einfand, um ihre Waren aus nah und fern zu verkaufen. Und auf den Märkten wurde weit mehr angeboten als nur Waren. Märkte waren der Umschlagsplatz für Nachrichten aus dem politischen, wissenschaftlichen und religiösen Leben, sowie Klatsch und Tratsch.

Auf den Märkten gab es kleine Stände und große Stände: Marktleute die ihre Waren einfach nur präsentierten und andere, die laut schreiend die Qualität ihrer Waren anpriesen. Es gab Menschen, die reine Dienstleistung anboten wie Gaukler, Narren und Musiker und es gab die Städte, die davon profitierten einen Platz zum Handeln anzubieten.

Und schwups ist man in der Neuzeit. Markttag ist heute nicht einmal im Jahr sondern täglich, aber sonst kann man doch vieles übertragen: Die Stadt, die den Platz zum Handeln anbietet, nennt sich heute Facebook und die Händler, die Waren anbieten, sind die Firmen, die auf Facebook Fanpages ihre Waren anpreisen. Und natürlich sind jede Menge Gaukler und Narren unterwegs, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Als die ersten Märkte aufkamen und Bauern, Handwerker und Händler davon hörten, dass es solche Markttage in großen Städten gibt, zu denen sie hingehen sollen um ihre Waren anzubieten, gab es bestimmt auch einige, die meinten, so ein neumodischer Kram, wenn jemand einen Stoff von mir will, oder Schuhe oder Töpfe oder was auch immer, dann soll er doch zu mir kommen. Das läuft schon seit Jahrhunderten sehr gut, warum mich bewegen.

Warum denn die Werkstatt verlassen, denn sind wir doch mal ehrlich, da draußen lauern lauter Gefahren: holprige Straßen und Wegelagerer, die einen überfallen, und Konkurrenten, die einen ausspionieren könnten, wenn man seine Waren so öffentlich präsentiert. Da bleibt man doch lieber am heimischen Herd.

So ungefähr wirken Unternehmen und Führungskräfte auf mich, die heute stolz darauf sind, solche Kindereien wie Facebook als Modeerscheinung abzutun. Sie haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Heute wie im Mittelalter wollen die Kunden als Individuen wahrgenommen und persönlich angesprochen werden. Sie suchen den Dialog mit den Herstellern und wollen auf sich zugeschneiderte Produkte und Lösungen. Und auch wenn das Produkt oder Unternehmen, das der jeweilige Kunde auf Facebook sucht, noch keine Präsenz dort hat, so wird dennoch auf diesem Marktplatz der Moderne über dieses Produkt und dieses Unternehmen, geredet. Nur leider, ohne dass der Hersteller bzw. das Unternehmen es mitbekommen. Wie viel sinnvoller erscheint es dann doch, den Kunden dort zu treffen wo er ist, statt weiter die Einbahnstraße der Kommunikation zu fahren wie in den letzten Jahrzehnten. Es ist höchste Zeit die Art, wie Kunden in den letzten Jahrzehnten angesprochen wurde, zu überdenken.

Eins der großen Geheimnisse von Social Media bzw. der größte Reiz liegt ja darin gefunden zu werden. Aber dazu muss ich die Regeln dieser neuen Märkte kennen. Zuhören statt zutexten, echte Gespräche, offener Umgang mit Kritik. Über das reden was die Kunden interessiert, nicht über das, was mich als Marke interessiert und um Himmels willen nicht die alten: „3 für 2“ und „10% auf alles“-Maschen ins soziale Netz übertragen.

Social Media ist eine der ganz großen Chancen für Unternehmen wieder näher an ihre Kunden zu rücken. Und nicht, weil sie auf Facebook und Co ihren Unternehmensauftritt kostenlos anbieten können, und das ja mal schnell der Praktikant nebenher erledigen kann. So ein paar Status Updates sind ja schnell erstellt. Dann sind wir wieder bei der gleichen Pseudo-Kommunikation wie zuvor.

Social Media ist nichts für Praktikanten und Auszubildende. Kompetenz ist gefragt. Derjenige der die Kanäle betreut, sollte Ahnung haben von Produkt und Unternehmen und diesen Kanal genauso ernst nehmen, wie alle anderen Maßnahmen zur Kundenansprache, sonst wird Social Media schnell zum Pseudo Engagement.

Social Media sind Medien unter vielen, aber solche, die die uns bekannte Welt aus den Angeln heben werden. Unternehmen die die Zeichen der Zeit nicht erkennen, gleichen Dinosauriern – die sind auf den Mittelaltermärkten auch nie angekommen.

 

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22 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Mir gefällt es auch: Liest sich gut und klingt einleuchtend. Ein bisschen zu FB-lastig für meinen Geschmack. Und eines finde ich ganz schwierig:
    Bei dem Satz „Social Media ist nichts für Praktikanten und Auszubildende. Kompetenz ist gefragt.“ weiß ich zwar, was Du meinst. Aber er ist leicht fehlinterpretierbar. Wie wäre es mit „Social-Media-Nutzung im Unternehmen ist nichts, was die Praktikanten und Auszubildenden mal eben machen können wie Unterlagen kopieren. Kompetenz ist gefragt. Social-Media-Nutzung im Unternehmen muss ChefIn-Sache sein.“
    Und um meinem Ruf als pingeliger Pefektionist gerecht zu werden: Ein paar Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler könnten noch ausgemerzt werden 😉
    O weia, klingt das jetzt furchtbar. Deshalb zum Schluss: Eine tolle Idee, insgesamt sehr anschaulich geschrieben und sicher gut geeignet für die IHK-WimS 😀

  2. Hallo Andrea,
    Du hast den Sachverhalt sehr schön und bildlich erklärt.

    Ich denke, dass einige Firmen auch Angst haben, diesen Schritt zu „wagen“. Zum einen ist es ein Schritt ins – für sie – Unbekannte und zum anderen ein Schritt, der sie angreifbar und verwundbar macht.
    Wie Du so schön beschrieben hast, ist es nicht etwas, dass man so nebenbei erledigen sollte und bringt damit einen gewissen Aufwand mit sich, den man anfangs schwer einschätzen kann.
    Auch ist diese „Nähe“ zum (potentiellen) Kunden für viele Firmen neu und ungewohnt. Wie geht man zum Beispiel mit öffentlichen Anschuldigungen und schlechten Produktbewertungen richtig und professionell um? Das ist etwas anderes, als wenn man einem unzufriedenen Kunden ein „Friedensangebot“ unter vier Augen macht…

    Viele Grüße,
    Oliver (Psych0S)

  3. @all vielen Dank für eure Kommentare. Auch das ist eine Seite von Social Media, und leider eine die viele nicht mitbekommen. Daher vielen Dank Andreas, Jürgen, Armin, Martin, Ulrich und Oliver für Lob und Anmerkungen.

    @Ulrich gefällt mir gut, wie du den Satz umformuliert hast. So wird es deutlicher. Werde ich wahrscheinlich so übernehmen. Und zu den Rechtschreibfehlern (Asche auf mein Haupt, RS und Kommas sind manchmal echt nicht mein Ding, trotz De LK), meine offiziellen Texte werden alle nochmal von meiner lieben Kollegin Anette korrigiert.

    @Oliver sehr ich genauso. Leider war für diesen Aspekt kein Platz mehr im Text, der ist nämlich auf´s Zeichen genau so lang wie er sein darf 🙂

  4. Brillant. Du bringst exakt auf den Punkt, was social media ist. Es ist der Markt, auf dem sich alles tummelt. Qualität und Narretei – wie schon auf den Märkten des Mittelalters. Dieses Bild ist bestechend klar und eindeutig. Ich würde an diesem Text garnix mehr ändern.

    LG
    Alwin

  5. Für den genannten Adressatenkreis ein (im wahrsten Sinne des Wortes) sehr ansprechender Beitrag. Ergänzen könnte man ggf. noch das Thema Customer Service im Socialweb und die Chance, die für Unternehmen damit verbunden ist.

  6. @Oliver absolut.
    @Alwin vielen Dank für den netten Kommentar

    @socialmediaDach: danke für das Feedback. Leider habe ich mein Zeilenkontingent bei diesem Artikel bis zum Anschlag ausgereizt. Es wäre mir noch viel eingefallen was man hätte schreiben können. Der von Ihnen genannte Punkt ist ein sehr wichtiger. Siehe Bahn und Telekom.

  7. Klasse, Andrea, der Artikel ist toll geworden und trifft es auf den Punkt!
    Bezüglich des Satzes mit den Azubis und Praktikanten stimme ich Ulrich zu, sein Formulierungsvorschlag gefällt mir.

  8. Ich find ihn auch gut und verständlich für angesprochenes Klientel. Vor allem die letzten drei Abschnitte finde ich ganz prima – mit der Umformulierung von Ulrich.

  9. Als ich meiner Schwiegermutter Twitter erklärte, antwortete sie: „Also eigentlich wie auf dem Markt. Ein Schwätzchen hier, ein Schwätzchen dort, mal schaut man an einem Stand, dann an einem anderen. Die Verbindung Social Media und Markt liegt offenbar wirklich nahe, auch wenn Du Dich auf Facebook beziehst. Ich finde den Artikel insgesamt gut.
    Was ich allerdings auch wichtig finde: dass Unternehmen ihre Aktivitäten nicht komplett in soziale Netzwerke verlagern. Ich kenne verärgerte Kunden, die nicht in dieser Welt unterwegs sind und sauer sind, wenn auf Webseiten keine Infos mehr zu finden sind, sondern nur noch Verweise auf Facebook. Das kann es nicht sein, so weit sind wir (noch) nicht. Schließlich ist Facebook nicht unproblematisch und wird von vielen auch ganz bewusst verweigert.

  10. Ein sehr gutes Bild und treffender Vergleich, dieser mittelalterliche Markt! Der Grundgedanke ist ja: dahin gehen, wo die Menschen sind. Deshalb habe ich neulich auch zum ersten Mal eine FB-Seite eingerichtet 🙂

    Was bereits jemand anmerkte: in dieser Form ist es etwas FB-konzentriert. Social Media ist mehr als Facebook. Wenigstens einen Dreiklang könnten man verwenden „Facebook, Twitter oder Googleplus ..“ oder so ähnlich. Denn manche Unternehmen (zB. DB) kommunizieren effektiver über Twitter als über FB.

    Aber sonst: treffend!

  11. @Yvonne und Katrin hab mir Ulrichs Vorschlag zu Herzen genommen und nochmal umformuliert. Er hat mit seinem Einwand absolut Recht Danke für euer Feedback

    @Daniela und Ingo Ja der Artikel ist echt zu FB lastig, aber irgendwie auch der Zielgruppe der Lesenden angepasst. Wie ich die ganze bunte Welt der Social Media Dienste aufmachen kann, war mir nicht so recht klar und da FB doch wirklich allen bekannt ist, habe ich versucht das Prinzip daran festzumachen.

    @Judith und Martin und Alle vielen Dank für euer so positives Feedback und eure hilfreichen Kommentare.

    Jetzt bin ich gespannt ob ich auch Feedback von den IHK Zeitschrift LeserInnen bekomme.

  12. Spannende Analogien aus dem Herzen des Saarlandes :-). Über die Aufnahme des Marktplatzes aus der Vogelperspektive denke ich seit einigen Tagen nach: der Platz ist mir bekannt, aber ich kann ihn nicht sicher verorten. Ist das Foto irgenwo gekennzeichnet?
    Herzliche Grüße aus der ehem. freien Reichsstadt
    Alfred (Magnus)

  13. @Andrea: vielen Dank für die schnelle Antwort. Über Rothenburg hatte ich auch schon nachgedacht. Von unten sieht alles doch wieder ganz anders aus. Hier schneit es!
    Viele Grüße
    Alfred

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