Podcastreview: Homosexualität und Bibel

 

Neben wissenschaftlichen und lustigen Podcasts habe ich auch religiöse Podcasts abonniert. Bei unserem saarländischen Rundfunksender SR 2 gleich zwei: Innehalten und LebensZeichen. Mit ihren nur 3 – 5 Minuten Länge, gelingt es den Autoren sehr oft, wichtige Themen ganz prägnant zu beleuchten.

Hin und weg war ich von der Folge: Kirche und Homosexualität . Nicht weil mich das Thema Homosexualität besonders beschäftigen würde, sondern weil der Inhalt des Podcasts einen riesigen Bogen geschlagen hat zur Kirche und den gläubigen Christen in der heutigen Zeit, und wie sie mit Themen umgehen könnte(n), die heute gesellschaftlich anerkannt, aber biblisch „anscheinend“ verurteilt werden.

Was mich auch sehr beeindruckt hat, ist, dass der Autor der Folge, Hans Dieter Osenberg kein progressiver junger Pastor ist. Der evangelische Theologe ist Jahrgang 1929.

Hier die für mich wichtigsten Sätze des Beitrags:

„Gottes Wort gibt es nämlich gar nicht „an sich“. Nicht pur, quasi zum Abholen vom Druckpapier zwischen zwei Buch­deckeln. Gottes Wort ergeht immer nur aktuell für einen Einzelnen oder eine Gemeinschaft in einer bestimmten Zeit, Gottes Geist, wenn er wich mitteilt, schöpft immer frisch.“

und

„Wer also bestimmte Anweisungen aus dem 1. Jahrhundert einfach eins zu eins als Wort Gottes für heute umgesetzt sehen will, der ist auf dem Holzweg. Denn Gott spricht Menschen immer in ihren jewei­ligen gesellschaftlichen Zusammenhängen an. So hat es auch Jesus gehalten. Er lebte selbst nach dem jüdischen Gesetz. Aber als er sah, dass Reinheitsvorschriften und Sabbatgebot oft wichtiger wur­den, als der Mensch selbst, da hielt er dagegen: Nicht auf das, was ihr esst, kommt’s an, sondern auf das, was an Worten aus eurem Mund herauskommt. Nicht, dass ihr am Sabbat keine Hand rührt, ist entscheidend, sondern ob es eurem Nächsten dabei gut geht.“

Selten, nein noch nie, habe ich es so auf den Punkt gebracht gelesen oder gehört.Was vor 2.000 Jahren und mehr niedergeschrieben wurde, kann eben nicht 1 zu 1 ins heutige Leben übernommen werden.

Und das finde ich ungemein tröstlich. Und wer daraus schließt, damit wäre jeglicher Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet, der kann vielleicht mal in sich hineinhören, was die Motive sind, die ihn das zu glauben veranlassen.  Wie schön, wenn man die Bibel nicht „missbrauchen“ muss, um eigene Moralvorstellungen göttlich zu rechtfertigen, sondern sie als Leitfaden für das eigenen Leben zu nutzen.

Wie formuliert Hans Dieter Osenberg so treffend am Schluss:

Die Bibel ist ein Kompass, unbedingt. Aber sie ist kein papierener Gott. Gottes geisterfüllter Wille heute will jeweils neu erkannt und erbeten sein. Die Kompassnadel der biblischen Texte zeigt im­mer auf ein Kriterium: Was entspricht Christus, seinen Handeln, seiner Liebe?

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14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Oh, diese Missioniererei!

    Letztens habe ich mir aber gedacht (ich hatte Anselm Grün gelesen, „Was ist die Seele?“), dass vielleicht die wahre Missioniererei die ist, wenn Seelen aufeinander zugehen. Wenn man seine Seele für den anderen öffnet. Wenn die Seele aufblühen kann. Und so.

  2. Ist Osenberg immer noch aktiv? Ich fand und finde ihn faszinierend: Sicher polemisch, auch um einprägsam zu sein; aber damit klar und deutlich. Und mit. Dieser Art fordert er zum Gespräch heraus. Klasse!.
    Ich teile seine Meinung, sie ist, vermute ich, evangelisch-landeskirchlicher Mainstream. Aber selten so gesagt. Siehe oben! 🙂

    • Im Rahmen der Verkündigungssendungen ist er wohl immer noch aktiv: http://is.gd/sjXaRw. Ich hatte vorher noch nie von ihm gehört.

      Ob es evangelisch-landeskirchlicher Mainstream ist, kann ich als Katholikin allerrdings ganz schlecht beurteilen ;-).

      Aber wäre diese Haltung in den beiden großen Kirchen Mainstream, fühlten sich wohl viele Menschen mehr zuhause. Wie gesagt, die Position die er einnimmt, lässt sich ja auf viele Bereiche übertragen und ist nicht nur auf gleichgeschlechtliche Liebe begrenzt. Wenn Gott die Evolution geschaffen hat, warum können die Kirchen sich dieses Prinzip nicht zu eigen machen und ohne ihre Werte zu verleugnen und aufzugeben, sich in der Zeit weiterentwickeln.

      • „Evolutionär“ passiert eigentlich immer dann, wenn die ganz großen Aufpasser den Zeitgeist wittern. 🙂

        Auch bei den anderen Bereichen: Osenberg präsentiert hervorragend, wie man die an der Universität vermittelte Theologie umsetzen sollte. Mit kühlem Kopf und heißem Herzen.

        • Ich muss gestehen, ich verstehe ihren Satz: “Evolutionär” passiert eigentlich immer dann, wenn die ganz großen Aufpasser den Zeitgeist wittern.“ nicht. Bitte um Erklärung 🙂

          • Gibt doch immer so Kritikaster, die meinen, die Kirche würde jetzt nur dem Zeitgeist folgen. Da ist dann die Evolution möglicherweise im Gange.

  3. Osenberg ist selber alles andere als heterosexuell. Insofern bleibt ihm nüscht walter ulbricht (weiter übrig), als Toleranz einzufordern: auch und gerade für sich selbst!

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