Das 3. Türchen: Der Zen-Meister und das Erdbeben

Diese Geschichte passt für mich sehr gut in den Advent. Denn ob die Erkenntnis jetzt von einem Zen Meister kommt oder nicht, die Botschaft ist konfessionslos:

Der Zen-Meister und das Erdbeben

Einmal wurde ein Zen Meister zu einem Treffen eingeladen. Ein paar Freunde saßen miteinander und aßen gemeinsam, als plötzlich ein Erdbeben geschah. Das Haus, in dem sie saßen, war sieben Stockwerke hoch und sie befanden sich im obersten Stock. Ihr Leben war in Gefahr. Jeder versuchte, zu fliehen. Während der Gastgeber entfloh, warf er noch einen schnellen Blick auf den Zen Meister. Der saß, ohne die geringste Ängstlichkeit im Gesicht mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl, ganz genauso, wie er vorher dort gesessen hatte.

Der Gastgeber fühlte sich ein wenig schuldig und wie ein Feigling, denn es sah komisch für ihn aus, dass der Gast da blieb und der Gastgeber wegrannte. Die anderen zwanzig Gäste waren alle die Treppen hinunter gelaufen. Obwohl er vor Angst zitterte, hielt er an und setzte sich neben den Meister.

So, als ob nichts geschehen wäre…

Das Erdbeben kam und verschwand wieder. Der Meister öffnete die Augen und begann in seiner Unterhaltung fortzufahren, die er wegen des Erdbebens hatte unterbrechen müssen. Er fuhr genau mit dem gleichen Satz fort, so, als ob es das Erdbeben überhaupt nicht gegeben hätte.

Der Gastgeber war wirklich nicht in der Stimmung, ihm zuzuhören, denn sein ganzes Wesen war tief erschüttert und voller Angst. Obwohl das Erdbeben jetzt vorüber war, hatte er immer noch Angst. Er bat den Meister, mit dem Sprechen aufzuhören. „Ich kann dir nicht zuhören, ich bin nicht ich selbst. Das Erdbeben hat mich zu sehr erschüttert. Aber ich habe eine Frage an dich: Alle anderen Gäste sind geflüchtet, doch du bist, so ungestört und so gelassen hier gesessen, dass ich mir wie ein Feigling vorkam. Wir alle versuchten, dem Beben zu entkommen. Was war mit dir?“

Der Meister sagte: „Ich flüchtete auch, doch ihr seid nach außen gerannt, ich bin nach innen geflüchtet. Eure Flucht macht keinen Sinn, denn wo auch immer ihr hingeht, da ist das Erdbeben. Ihr mögt den 6. Stock erreichen oder den 5. oder den 4… Doch überall bebt die Erde. Ich bin dorthin geflüchtet, wo das Erdbeben niemals hinkommt, ja niemals hinkommen kann. Ich rannte in mein inneres Zentrum.

Wie wichtig ist es doch diesen inneren Fluchtpunkt zu haben. Wie wäre es denn, wenn wir in Zukunft mal neue Evakuierungsübungen machen würden. Wenn wir üben würden, unseren Geist in unserem Inneren in Sicherheit zu bringen, statt unseren Körper im Außen. Eine schöne Übung für den Advent, denn ich bin mir sicher, wenn ihr euer Innerstes findet, dann werdet ihr nicht alleine dort sein. Sicher wartet ER dort auf euch.

Ich freue mich auf eure Gedanken und Kommentare dazu.

 

Das 3. Türchen an Bachmichels Haus:

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Foto: Anja Fohmann

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4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Diese Geschichte gefällt mir sehr. Und für die Evakuierungsübung bzw. die Konzentration auf den inneren Kern kann ich https://www.headspace.com sehr empfehlen. Gegründet von Andy Puddicombe, der Achtsamkeit und Meditation einem breiten Publikum zugänglich macht.

  2. Ich kenne die Geschichte zwar, bin aber immer wieder froh, darauf hingewiesen zu werden. Unsere Entwicklung ist wie ein steter Tropfen Wasser. Der Geist lernt langsam, aber wir haben ein ganzes Leben Zeit.

  3. Da fällt mir sofort die Stillung des Seesturmes ein, wie Matthäus sie im 8. Kapitel berichtet. Ganz ohne Häme und mit nur wenig Kritik am Lebensstil des anderen. Es ist meine Lieblingsperikope des Jahres, weil dieser schlafende Jesus mich beruhigt – mitten im Alltagsstress, in Stürmen, gegen die ich machtlos bin.

  4. Schöne Geschichte!
    Ich habe vor Jahren folgenden Spruch gelesen und ihn mir sehr zu Herzen genommen: „Im Auge des Sturms ist es ruhig!“
    Das Auge kann dann wahlweise das Innere sein, aber auch z.B. der Konflikt, in den man „richtig rein“ geht.

    Lieben Gruß!

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