Gastbeitrag: Brief an Papst Franzikus in Sachen Tebartz-van Elst

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Eine liebe Freundin, die aus verständlichen Gründen lieber anonym bleiben möchte, hat mich gebeten, diesen offenen Brief an unseren Papst in meinem Blog zu veröffentlichen. Dieser Bitte komme ich sehr gerne nach. Die im Brief angeschnittenen Themen beschäftigen mich auch schon sehr lange.  Zum Hauptthema, dem Verhalten des Bischofs von Limburg, bin ich noch nicht zu einer endgültigen Meinung gekommen.

Nicht alles sehe ich zu 100% genauso, aber die von meiner Freundin vertretenen Gedanken, Bitten und Ausführungen sind für mich alle nachvollziehbar und ich möchte ihr gerne die Gelegenheit geben, mit euch hier zu diskutieren.

Andrea

Lieber Papst Franziskus,

soeben geht die Meldung durch die Presse, dass du mit Erzbischof Zollitsch über Bischof Tebartz-van Elst gesprochen hast und dass nun erst einmal eine Untersuchungskommission die finanziellen Ausgaben im Bistum Limburg prüfen soll. Ich weiß nicht, was ich wirklich erwartet habe, aber ich spüre Enttäuschung. Ich habe in den letzten Wochen unzählige Artikel gelesen und weiß schon gar nicht mehr, was ich glauben soll.

Was mir allerdings ziemlich sicher erscheint, ist die Tatsache, dass es Bischof Tebartz-van Elst mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen scheint. Sowohl in der Öffentlichkeit (dem Spiegel gegenüber) als auch in seinem Bistum. Und – was für mich noch viel erschütternder ist – er scheint keinerlei Unrechtsbewusstsein zu haben. Die Finanzprobleme stehen für mich (und sicherlich für viele andere) erst an zweiter Stelle. Viel mehr enttäuscht mich das menschliche Verhalten. So geht das nicht, war mein Gedanke. Vielleicht hatte ich deshalb auf eine schnelle Lösung aus Rom gehofft, zumal du, lieber Franziskus, ja für unerwartete Handlungen stehst.

Doch wieder einmal wiehert der kirchliche Amtsschimmel. Wieder einmal wird verzögert.

Tagtäglich spüre ich, sowohl in meinem Familien- und Freundeskreis als auch auf der Arbeit, die Enttäuschung, die die Menschen dazu bringt, sich von der Kirche abzuwenden. Und es fällt mir schwer, dieser meiner Kirche noch in Liebe zu dienen.

Seitdem ich denken kann, ist die katholische Kirche Bestandteil meines Lebens. Ich war in der katholischen Jugend organisiert, habe mit Begeisterung für die Bolivienhilfe (so hieß es damals noch) Altkleider gesammelt und Kinderferienfreizeiten organisiert. Ich sang im Kirchenchor und war mit 16 sogar Mitglied im Pfarrgemeinderat. Meine Hochzeit war selbstverständlich auch eine kirchliche, weil ich für meine Ehe von Herzen den Segen Gottes wollte.

Vor 13 Jahren dann führte mich mein beruflicher Weg sogar in den Dienst der Kirche. Ich liebe meinen Beruf und bis vor drei Jahren war ich noch stolz darauf, für sie zu arbeiten.

Dann kam der Missbrauchsskandal. Während ich weiterhin für die Kirche im Dienst war, wurde mir das Herz schwer. Was da alles zum Vorschein kam.

Es tat weh.

Es tat weh, Mails im Postfach zu haben, die mich, und alle anderen Hauptberuflichen der Kirche als Täter, als Abschaum, als Perverse bezeichneten. Jeden Morgen öffnete ich mit Bauchweh mein Postfach und mir wurde übel von dem ganzen Hass, der mir entgegen schlug. Ich fragte mich, ob ich noch an der richtigen Stelle war. Wollte und durfte ich für solch eine Organisation noch arbeiten?

Mit Bischof Ackermann trat dann ein Mann in die Öffentlichkeit, der Gesicht zeigte. Der gewillt war, alles aufzuarbeiten. Das, was vor Jahren angerichtet worden war, wurde ans Licht gebracht und Opfer wurden entschädigt. Es wurden viele Maßnahmen ergriffen, um zukünftig solche Taten zu verhindern und ich sehe, dass immer noch und auch zukünftig darauf geachtet wird. Durch Schulungen, Aufklärung, schnelles Handeln im Verdachtsfall.

Es wurde wieder ruhiger. Die Arbeit verlief normal, aber ich zweifelte weiterhin. So vieles, was die Gesellschaft selbst früher verurteilt hatte, ist heutzutage normal. Nur nicht für die Kirche. Wieso sollte Gott einen geschiedenen, wiederverheirateten Menschen an seinem Tisch nicht willkommen heißen? Wieso dürfen sich zwei Männer nicht lieben und eine Partnerschaft eingehen? Sobald große Ereignisse der Kirche im Fernsehen übertragen werden, sehe ich nur Männer. Wo bleiben wir Frauen? Wo ist hier gelebte Gemeinschaft? Gemeinschaft von Mann UND Frau?

Ich litt. Regelmäßig fragte ich mich, ob ich noch für den richtigen „Verein“ – wie man so schön sagt – arbeite.
Und dann kamst du! Und mit dir die Hoffnung. Hoffnung auf eine liebende Kirche. Auf eine gütige. Ich sehe deine Augen, die so liebevoll in die Welt schauen. Ich sehe die Wärme, die du den Menschen spendest. Und ich schöpfte wieder Mut. Da war einer, dem ich nur zu gerne dienen möchte. Der das Ruder herum reißt. Der uns Frauen sieht. Der heiße Eisen anpackt. Der mir Hoffnung gibt. Hoffnung, dass es die Kirche auch noch in 10 Jahren geben wird. Bestätigung gibt, dass ich da, wo ich bin, richtig bin.

Vielleicht urteile ich auch zu vorschnell, was den heutigen Tag angeht. Aber innerlich bin ich so gespannt, dass ich es kaum auszuhalten vermag. Wird es so weiter gehen wie früher? Oder wirst du Signale setzen? Zeigen, dass Kirche keine Feudalherrschaft sein sollte. Kein Machtinstrument. Keine Schreckensvereinigung. Sondern eine Kirche der  Liebe. Die Liebe zu den Menschen ist das, was uns tragen sollte. Und jemand der nicht in Liebe handelt, wie Tebart-van Elst, sollte dann nicht eine so herausragende Position innehaben.  Ich weiß, dass – wenn du solch einen Maßstab anlegen würdest – so mancher „Kirchenfürst“ und Pfarrer seinen Hut nehmen müsste. Es wäre der größte Umbruch, den die Kirche in der Neuzeit erleben könnte. Aber es wäre eine Kirche, für die ich gerne arbeiten würde. Die mir aus der Seele spräche. Auf die ich stolz sein könnte.

Bitte enttäusche mich nicht. Ich setze noch immer meine ganze Hoffnung in dich.

In Liebe und aus der Ferne grüße ich dich von Herzen

M.

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10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe M.,

    was wäre, wenn Bischof Franz-Peter Fehler gemacht hat, aber doch stets aus Liebe heraus handelte? Wissen wir es? Was wäre, wenn er die Kapelle bauen ließ, damit er die schwierigen Entscheidungen, die auf seinen Schultern und auf den Schultern seiner Nachfolger lasten, im tiefen Gebet mit der Bitte um Führung vor Gott bringen kann? Was, wenn er tatsächlich alles regulär mit dem Vatikan im Vorfeld geklärt hatte und er ungerecht angefeindet wurde? Was, wenn er die Frage des Reporters tatsächlich im Sinne der Kostenbelastung für das Bistum beantwortet hatte, indem er wahrheitsgemäß sagte, dass er Business Class geflogen ist – auch wenn ein Upgrade erfolgte, das aber nicht gebucht wurde? Was, wenn das Bild, das von ihm gezeichnet wird, eine hässliche Fratze ist, die mit seinem Charakter aber wenig zu tun hat? Was, wenn sich biblische Worte erfüllen und die Menschen den Worten der Schrift keinen Glauben mehr schenken, um sich lieber eigene „Wahrheiten“ nach dem eigenen Ohr zurecht legen? Was, wenn die Menschen schnell von der Meinungsmacher der Medien und dem erzeugten Image eingenommen sind und all ihre ohnehin schon vorhandenen Ressentiments gegenüber der Kirche nun auf Bischof Franz-Peter projizieren? Was, wenn andere Christen nun tief getroffen mit Bischof Franz-Peter mitleiden, weil sie ihn als Hirten unseres Herrn schätzen und lieben gelernt und gänzlich anders als in den Medien dargestellt kennengelernt haben? Auch wenn nur einer dieser Zweifel zulässig wäre, so müssten wir als Christen besonders achtsam sein, dass wir brüderlich mit unseren Geschwistern umgehen und nicht noch mehr Steine auf den Bischof werfen, selbst wenn er im Sinne der Anklage schuldig wäre. Er wird nicht mehr in seiner Diözese Arbeiten können. Das ist steht schon vor einer etwaigen Verurteilung fest. Hierfür ist sein Ruf zu sehr geschädigt (worden). Verzeihen wäre nun groß zu schreiben, denn er ist bereits ein Gehetzter, einer, der keineswegs brüderlich zurecht gewiesen wurde, sondern immer wieder belagert und mit Schimpf und Schande davon gejagt wurde. Sollte er nicht wenigstens einmal vom Papst gehört werden? Gibt es überhaupt noch eine Gesicht wahrende Lösung oder sollten wir nicht dafür beten, dass der Papst mit großem Herzen und großer Liebe für den Bischof da ist, damit die erlittene Schande mit Jesu Augen einer würdigen Lösung für alle Beteiligten zugeführt werden kann und Heilung findet, für die Menschen im Bistum, die Ankläger, die ganze Kirche und für den Angeklagten. Gott möge die Wunden heilen.

    P. S. Dies schreibt ein persönlich betroffener Katholik aus Frankfurt.

    • Danke! Du hast mit deinen Worten genau das ausgedrückt, was ich im Grunde von Franziskus erhofft habe. Das liebende Verzeihen. Denn auch ich hoffe auf eine würdige Lösung. Und wie es scheint, braucht diese halt einfach Zeit.

  2. Liebe M., ich teile viele Ihrer Ansichten und wünsche mir auch Veränderungen, die überfällig sind. Gleichzeitig finde ich, dass Entscheidungen, die eine Person betreffen, zu Recht gut geprüft werden sollten (für diejenigen, die mir kirchenpolitisch näher stehen, hätte ich mir das doch auch gewünscht). Die Hoffnung allein auf den Bischof von Rom zu setzen, halte ich bei aller Freude über die positiven Entwicklungen eher für schwierig. Hoffen wir auf den lebendigen Gott, dessen Kirche noch viele Jahrzehnte und wohl auch Jahrhunderte wirksam sein wird rund um die Welt.

  3. Liebe M.,

    auch ich habe viele Jahre für die Kirche gearbeitet – 18,5 Jahre, um genau zu sein. Oft war auch ich enttäuscht – ein Ausspruch meines Vaters, der 24 Jahre ein Angestellter des Bistums Speyer war, lautete: „Wer bei der Kirche arbeitet und dennoch glaubt, ist ein wahrer Christ.“ Dem habe ich zustimmen müssen, öfter als mir lieb war ….Trotz aller Enttäuschung manchmal muss ich aber sagen, dass ich bei diesem „Verein“ mehr bemerkenswerte Persönlichkeiten (im positiven Sinn) innerhalb einer Gruppe getroffen habe, als bei den verschiedenen anderen Arbeitgebern, die ich im Laufe meines Lebens hatte. Und mir war immer klar, dass es sich bei allen Kirchen um von Menschen gemachte Institutionen handelt. Wichtig ist mir Gott. Da ich ihn mir nicht vorstellen kann, halte ich mich an den, der uns von ihm gesandt wurde, um die frohe Botschaft zu verkünden: Jesus Christus. Er hat versichert, dass er und der Vater eins sind, und so habe ich doch ein wenig eine Ahnung von Gott. Er hat seinem Freund und Jünger Petrus vergeben, der ihn verleugnet hat, und, obwohl er dies voraussah, hat er ihm trotzdem seine Kirche anvertraut und ihn beauftragt, ein Menschenfischer zu sein. Er hat die Frau verteidigt, die kostbares Öl über seine Füße goss, als es hieß, das Geld dafür hätte man doch wohl besser den Armen gegeben. (Und zwar war derjenige, der das forderte, ausgerechnet Judas Iscariot!) Wenn ich unserem Papst einen Brief schreiben würde, würde ich ihn bitten, er solle seinem Bischof helfen, der in Not geraten ist – sicherlich auch seelisch. Jesus tadelte in einem Gleichnis den, der im Tempel saß und Gott dankte, dass er nicht sei wie „jener“ (- der Zöllner), der demütig um Vergebung für seine Schuld bat.
    Ich finde, man muss für den betroffenen Bischof beten, dass er, wenn er sich schuldig gemacht hat, um Vergebung bitten kann, und auch für den Papst, der jetzt neugierig beäugt wird, ob er die Entscheidung trifft, die eine aufgebrachte und aufgehetzte Menge sich von ihm wünscht. Mir scheint, als ob ich schon einmal so etwas gelesen hätte – wo einer meinte, so schlimm wäre das doch nicht, und ein ganzes Volk verlangte die Verurteilung. (… hinkt, der Vergleich, ich weiß schon!)
    Ich hoffe, Papst Franziskus wird in Liebe und aus Liebe handeln, und damit allen „Kirchenfürsten“ und Pfarrern ein Vorbild sein. Und auch allen Christen unserer Kirche. Vielleicht sogar den Medien – aber das wird wohl schwer für ihn. Sie warten nur auf die nächste Gelegenheit. Es hat schon begonnen. Vielleicht ist dies doch der letzte Papst.
    Ich schließe mich dem „Katholiken aus Frankfurt“ an: Möge Gott die Wunden heilen!

  4. Deine Freundin spricht mir aus dem Herzen. Ich kann Ihre Kritik uneingeschränkt nachvollziehen. Solch offene Briefe müssten jeden Tag geschrieben werden, denn steter Tropfen höhlt den Stein.

  5. Auch mir als Evangelischem tun die Nachrichten um den Limburger Bischof weh. Trotzdem glaube ich, tut uns allen ein bisschen Abstand gut.
    Ich wohne nur ein paar hundert Kilometer weg von Limburg, aber ich habe keinerlei Einblick in das, was wirklich dort passiert ist. Ich sehe nur, dass die Presse mal wieder eine Sache richtig groß aufbauscht. Was ist aus der Anklage unseres ehemaligen Bundespräsidenten geblieben? Ich glaube, es geht jetzt noch um 800 Euro Vorteilsnahme, alle anderen Vorwürfe wurden gestrichen.
    Zum liebevollen Umgang gehört auch, die andere Seite zu hören und nicht gleich drauf los zu hacken. Das gilt auch für Tebartz-van Elst. Ich fände es ehrlich gesagt sehr unchristlich, würde der Papst jetzt im Eilverfahren TvE entlassen oder ähnliches. Wo bliebe da die Liebe, der christliche Umgang miteinander?
    Der Bischof hat sicher Fehler gemacht. Er ist vermutlich auch ziemlich unsympathisch. Und als Bischof von Limburg ist er wahrscheinlich auch nicht mehr tragbar. Trotzdem müssen wir auch ihn hören und als Bruder in Christus wahrnehmen und ernst nehmen. Dazu gehört mehr als ein Treibjagd in der Presse und eine kurze Audienz beim Papst.
    Ich möchte nicht in einer Kirche arbeiten, in der Menschen, die Fehler gemacht haben, einfach zack weg vom Fenster sind.

  6. Liebe M. ,

    Du sprichst mir einfach nur aus der Seele. Nach langer reichlicher Überlegung bin ich im letzten Jahr aus der Kirche ausgetreten. Gründe dafür gab und gibt es reichlich. Die Nummer in Limburg hat allerdings Sonderstatus:

    Mal abgesehen davon, dass ja schon mehr als reichlich „geprüft“ wurde geht es hier NICHT um die Verschwendung, sondern um die MORAL. Eine Kirch, die sich in alles und jedes einmischt. Ob es um Familienplanung, Scheidung, Arbeit ………………. geht, zu allem hat sie eine Meinung und urteilt und VER-urteilt. Jetzt steht einer ihrer Moralapostel am Pranger und es wird bis in´s nächste Jahrtausend geprüft?!
    So vergrault man noch die letzten Gläubigen. Danke, danke für diesen Brief. Möge er seinen Empfänger erreichen!

  7. Ich danke euch für eure Rückmeldungen. Vielleicht bin ich wirklich einfach zu ungeduldig. Und evtl. kamen meine Erwartung an Franziskus falsch rüber. Ich erwarte keinen strafenden Papst. Kein Schnellverfahren.
    Ich hätte mir nur eine erste Stellungnahme gewünscht. Ein Signal von ihm an die Öffentlichkeit, dass nicht verschleppt, verzögert, unterdrückt wird. Wie es halt früher meistens war. Ich dürste ein bisschen nach Hoffnung. Danach, dass mir der Rücken gestärkt wird. Ich sollte Geduld haben 🙂

  8. Die Kirche hilft in der heutigen Zeit sich zu entschleunigen. Feste Regeln an die man sich halten kann, einen Anker in der sich stetig ändernden Welt.

    Für viele Menschen ist dies ein wichtiger Punkt. Der Vorteil eines Ankers ist, dass er auch bei tobender See sicher die Position hält.

    Dennoch sollte man den Anker einholen, wenn sich herausstellt dass die aktuelle Position unhaltbar ist. Das ist meine Kritik an der Kirche – der Anker wird zu selten eingeholt. Und gerade wenn die Mannschaft nicht aus Schafen besteht, sondern aus Hirten, scheint keine Position zu aussichtslos um umzukehren.

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