Aigner warnt vor Preiserhöhungen

 

Foto: Susanne Juchem 2010

Ein Anstieg der Lebensmittelkurse ist für Bundesagrarministerin Ilse Aigner nicht begründbar. Sie warnt die Lebensmittelbranche davor, das Preishoch an den Agrarbörsen auszunutzen. Mit Unverständnis reagiert Aigner auf die Ankündigung der Lebensmittelindustrie, spätestens im September die Preise für einige Nahrungsmittel zu erhöhen. Das derzeitige Preishoch an den internationalen Agrarbörsen sei kein hinreichender Grund. Aigner verwies erneut darauf, dass der Anteil des Getreidepreises am Brötchen nur 4 Prozent betrage. Für eine abschließende Bewertung will die Ministerin die Erntebilanz abwarten. Nach Angaben ihres Ministeriums ist noch unklar, ob es die Bilanz kommende Woche, wie geplant, vorstellen kann. Noch ist der Ernteabschluss nicht in Sicht, die Drescher müssen auf Grund der Witterung immer wieder stoppen. (sta)

So war es im Online-Nachrichtendienst der agrarzeitung zu lesen. Und wisst ihr was, da geht mir die Hutschnur hoch. Ich weiß nicht, wie eine Landwirtschaftsministerin von Spannen und Preisen in dem vor ihr zu vertretenden Gewerbe augenscheinlich so wenig Ahnung haben kann, dass sie sich zu solchen Aussagen hinreißen lässt.

Wieso sollten wir unsere Preise denn bitte nicht erhöhen? Weil z. B. die Müllerei so gnadenlos gute Spannen hat? Wir sind hier nicht in einer Branche, die problemlos mal kurz 100 % auf ihre Kosten drauf rechnet. Bei uns bewegt sich die Marge im deutlich einstelligen Bereich. Preissteigerungen, wie sie jetzt im Getreidebereich zu verzeichnen sind, können von den Mühlen nicht getragen werden und auch nicht von den Bäckern.

Zurzeit wird Mehl, wenn man die Börsenkurse für Getreide zugrundelegt, unter dem Weizenpreis verkauft. Dies geht natürlich nur in dem Fall, wenn Mühlen noch über Getreide verfügen, das vor den Preissteigerungen eingekauft wurde. Oder wenn ein früher Vertragsabschluss dazu zwingt. Mit diesen explodierenden Preisen hat niemand gerechnet.

Und da kommt die Landwirtschaftsministerin daher und warnt uns. Und meint, die Preissteigerungen seien kein hinreichender Grund. Was denn bitte, wenn nicht steigende Kosten, sieht Frau Aigner denn als hinreichenden Grund an?

Schon heute geben die Menschen für Nahrungsmittel kaum mehr etwas aus. 11 % unseres Einkommens werden für Lebensmittel aufgewandt. Und mit den billigeren Preisen ging auch die Wertschätzung verloren. An allen Ecken und Enden hört man, wir würden ja doch nur noch Dreck zu essen bekommen, den Lebensmitteln würden die Nährstoffe fehlen und außerdem bestehe die gesamte Lebensmittelindustrie ja eh nur aus Gammelfleischumetikettierern und Schummelkäseverwendern. Dass Betrüger und Verbrecher, die mangelhafte Qualität verarbeiten, zu den absoluten Ausnahmen gehören, das liest man selten. Wie viel Mühe sich die Lebensmittelindustrie stattdessen mit Qualitätssicherungssystemen, Rohstoffkontrollen und Monitoring gibt, davon spricht niemand.

Jetzt sollen also Brötchen eventuell ein paar Cent teuerer werden, und das ist wirklich ein Thema, bei dem die Landwirtschaftministerin zum Diktaphon greifen muss, um ihr Volk vor diesen Abzockern zu warnen? Soll sie sich doch lieber mal freuen, wenn ihre Bauern vielleicht mal ein bisschen mehr für ihr Getreide bekommen, denn die Preise, die in den letzten Jahren herrschten, reichten kaum um sich über Wasser zu halten

Und wenn Frau Aigner schon jemanden warnt, warum dann nicht die Spekulanten, die in großem Maßstab in die Nahrungsmittel einsteigen und die Preise für Getreide und Kakao und viele andere Rohstoffe in die Höhe treiben. In meinen Augen ist das eher ein verwerfliches Tun, denn damit werden ja weltweit die Nahrungsmittelpreise erhöht. Wer von 1 Dollar am Tag leben muss, für den spielt eine Preiserhöhung im Cent- Bereich wirklich eine Rolle und kann die Grenze zwischen Hungern oder Nichthungern markieren. Aber bei uns in Deutschland? Solange wir schwankende Benzinpreise mit einer solchen Gleichmut hinnehmen und kein Minister vor Abzocke in diesem Bereich warnt, solange können wir uns doch sicher 2 Cent mehr für ein Brötchen leisten, oder?

Interessant für weitere Informationen:

Und noch der Hinweis auf zwei Blogartikel, der Erste von Armin König, der sich dieses Themas schon am 6.8. angenommen hat, der zweite von Sören Schewe für den Bauernblog zum Thema Landwirtschaft 2050:

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13 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich kann deine Wut sehr gut verstehen. Ich kenne deinen täglichen Berufsalltag nicht und weiß nicht wie es zu geht. Aber der Artikel beschreibt das sehr gut und ich kann deine Wut sehr gut verstehen.

    Ich gebe auch gerne einige Cent mehr aus für ein Brötchen, wenn alle die am Produktionsprozess beteiligt sind, dieses Geld zum Bestehen dringend benötigen.

    Guter Artikel!

  2. Ich finde es auch immer wieder erschreckend, wie sehr wir doch an Lebensmitteln sparen und das Geld an anderen Stellen „aus dem Fenster werfen.“. Ich habe selbst lange gebraucht, bis mir das im eigenen Einkaufsverhalten bewusst wurde. Bei Lebensmitteln ist die „Geiz-Ist-Geil“ Mentalität einfach nicht angebracht.
    Und ob ein Brötchen jetzt 10 Cent mehr oder weniger kostet sollte kein KO-Kriterium sein.

  3. Wir versuchen (trotz studentischem Budget) bio zu leben, weil wir eben keinen Mist essen wollen – und da ist es auch logisch, nicht nur 2 oder 10cent mehr für ein Brötchen zu bezahlen. Dann kostet ein Brot eben 3€ oder auch mehr. Aber dafür ist es auch wirklich, wirklich Nahrung.
    Lieber verzichte ich auf ein Paar Schuhe oder ein neues Kleid als auf gesundes Essen.

    Ich bin jedenfalls voll deiner Meinung.

  4. Wir hatten in den letzten Jahren eine sehr negative Entwicklung: die Landwirte wurden immer mehr unter (Preis-)Druck gesetzt; darunter haben ausgerechnet die zu leiden, die mit höherem Aufwand nachhaltig wirtschaften. Ich finde Andrea Juchems Argumentation ok. Und ich stimme auch zu 100 Prozent zu, wenn es um das Treiben von Nahrungsmittel-Spekulanten geht.

    http://arminkoenig.wordpress.com/2010/08/06/unethisch-wildes-spekulantengezocke-auf-nahrungsmittel-und-wie-wir-es-andern-konnten/

  5. Sehe das genau so. Es gibt Branchen in denen kann eine große Firma einfach mal 20 Milliarden Euro aus der Kasse nehmen um für eine der größten Umweltkatstrophen eine Entschädigung bezhalen und in solch einer Branche beschwert sich niemand, zumindest keiner aus Ministerreihen, wenn der Verkaufspreis ohne jegliche Bindung an den Börsenpreis um 5 oder 6 Cent schwankt…

  6. Na dann bin ich aber mal sowas von einer Meinung mit Dir, das glaubst Du gar nicht^^

    „Schon heute geben die Menschen für Nahrungsmittel kaum mehr etwas aus. 11 % unseres Einkommens werden für Lebensmittel aufgewandt. Und mit den billigeren Preisen ging auch die Wertschätzung verloren. An allen Ecken und Enden hört man, wir würden ja doch nur noch Dreck zu essen bekommen, den Lebensmitteln würden die Nährstoffe fehlen und außerdem bestehe die gesamte Lebensmittelindustrie ja eh nur aus Gammelfleischumetikettierern und Schummelkäseverwendern. Dass Betrüger und Verbrecher, die mangelhafte Qualität verarbeiten, zu den absoluten Ausnahmen gehören, das liest man selten. Wie viel Mühe sich die Lebensmittelindustrie stattdessen mit Qualitätssicherungssystemen, Rohstoffkontrollen und Monitoring gibt, davon spricht niemand.“

    Herrlich!!! Danke dafür.

  7. Ich wußte gar nicht, dass die Frau Aigner Sozialistin ist. Die hat sie ja wohl nicht mehr alle.
    Hat wohl zuviel bei Ihrer FDJ-Funktionärs-Chefin abgeschaut?
    *kopfschüttel*

  8. Hallo liebe Frau Juchem,

    großes Lob für Ihr Engagement; Ihre Beiträge lese ich sehr gern – zeigen S/sie mir doch immer wieder auf, wie wichtig es ist, zu erfahren, auf den Punkt gebracht „was los ist“ und aber gleichzeitig auch: nach Lösungen für unsere bestehenden Probleme zu suchen.

    Eines dieser Lösungen könnte sein, zum Beispiel das, worüber Malcom Gladwell in seinem Vortrag erzählt, nämlich:
    „wie die Lebenmittelindustrie versucht, die perfekte Spaghetti-Sauce zu finden“
    http://www.ted.com/talks/lang/ger/malcolm_gladwell_on_spaghetti_sauce.html

    als 1 Beispiel von vielen und das nicht nur, auf eine Bäckerei übertragbar ist, etc.

    Worauf will ich noch hinaus ?

    Wenn man zB verfolgt, was an der Börse wie weltweit gehandelt wird,
    ist für mich vieles nicht mehr ´mit gesundem Menschenverstand´nachvollziehbar; die Preise der Rohstoffe künstlich in die Höhe zu treiben, zB auch, durch Verknappung, dies und mehr bringt mich zum Kopfschütteln und gleichzeitig, solange der Handel in dieser Art und Weise besteht; es möglicherweise nur noch um Profitgier geht, stat um einen fairen Tausch-Handel, bleibt die Frage im Raum, welche adäquaten Lösungen es gibt und meine, dass zunächst — ein anderes Denken — dafür erforderlich ist, eben auf der einen Seite die Tatsachen (Probleme) zu akzeptieren und andererseits diese lösen zu wollen, von unten-nach-oben, und lokal, regional statt auf großer Ebene, kurzum: wie im Kleinen so im Großen. Politiker und „die-da-oben“ werden sich nicht ändern, Machtstrukturen zu bekämpfen, oder generell einen Kampf zu führen, gegen irgendetwas, das kostet Energie. Energie von Anfang an in die ´besseren Alternativen´zu investieren, hebelt automatisch aus, wer und was die Probleme (Unternehmen, Börse, Aktienmarkt, Macht, Profit-Gier, Konsum, Verbraucher, Verschwendung, Überproduktion, Verteilungsproblem, Preispolitik, Handelssperren, Armut, falsche Ernährung, usw.) verursacht haben und löst sie zugleich.

    Auch könnte das http://www.regiogeld.de/ eine weitere Lösung sein. Frage.

    Im Supermarkt kaufe ich keine Backwaren mehr ein. In der Bäckerei um die Ecke vermisse ich, zB ein Lösungsangebot für „Sich-gesünder-ernähren“, oder überhaupt mal gefragt zu werden, was mir persönlich besonders gut schmeckt und was ICH mir wünsche.
    Und lieber unterstütze ich eine inhabergeführte Bäckerei, wo mich zB die Chefin noch persönlich beDIENT; doch diese Bäckerei hat vor Jahren leider das Handtuch geworfen und an ihre Stelle rückte ein Filalist.
    Auch sind es die Franchise-Betriebe, welche zwar eine Vielfalt von Brötchen einerseits anbieten, doch zu welchem Preis? Deshalb habe ich für mich darauf verzichtet, dort einkaufen gehen zu wollen, davon abgesehen, dass auch hier der persönliche Draht zum Kunden fehlt, etc.

    Und wenn man dann feststellt, dass ein Brötchen für weniger Cents überhaupt nicht satt macht, man also mehr kaufen und verzehren müsste, ich im Endeffekt draufzahle, dann lohnt es sich, auch hier etwas genauer hinzusehen, versus „gesunde Ernährung“ Preis-Leistung Kunde als Chance und als Bäckerei das zu nutzen.

    Zum Schluss ein weiteres Beispiel: die http://www.mobile-kaeserei.de/

  9. @Marion vielen Dank für das nette Feedback und den ausführlichen Kommentar, dessen Aussagen ich auch unterschreiben kann.

    Nicht nur die Bäcker fragen ihren Kunden nicht, die meisten Hersteller reden viel zu wenig mit ihren Kunden. Und wenn sie es doch tun bekommen sie oft verblüffende Antworten.

    Gladwell schätze ich auch sehr, das Video kannte ich noch nicht ebenso wie die anderen Links. Vielen Dank für´s teilen, ich fand alles hochinteressant.

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