Gerade gelesen: Arm aber Bio!

Eine Diskussion über Lebensmittel und über Preise kommt, je nachdem mit wem man diskutiert, immer wieder an einen Punkt: die eine Seite argumentiert, Lebensmittel seien sowieso viel zu billig und die andere Seite hält dagegen, was Menschen mit geringem Einkommen wie Hartz IV Empfänger, Rentner und Studenten denn bitte noch essen sollten, wenn Lebensmittel jetzt auch noch teurer würden.

Da kam mir das Buch der Food Journalistin und Restauranttesterin Rosa Wolff:Arm aber Bio! Mit wenig Geld gesund, ökologisch und genussvoll speisen. Ein Selbstversuch
gerade Recht. In einem Selbstversuch testet die Autorin, wie man mit dem Regelsatz, der einem Hartz IV Empfänger für die tägliche Ernährung zugesprochen wird (zum Zeitpunkt als sie das Experiment unternahm 4,34€) sich nicht nur mit Lebensmitteln aus dem Discount, sondern in Bio-Qualität ernähren kann.

Das Fazit vorneweg, es geht. Jetzt möchte ich meine Blogleser aber bitten, nicht das Fazit zu nehmen und zu sagen, siehste Hartz IV reicht und sogar für die teuren Bio-Lebensmittel, sondern das Buch auch zu lesen. Und zwar jeder. Jeder Mensch der Hartz IV nur aus den Nachrichten kennt und sein „fundiertes“ Vorurteil hat, Menschen, die von Hartz IV leben müssen, weil sich jede Menge gute Tipps darin wiederfinden und jeder Mensch, der täglich Nahrung zu sich nimmt, er kann viel daraus lernen. Und für Politiker ist das Buch ein absolutes Muss.

Das Buch liest sich wirklich spannend und ist sehr flüssig geschrieben. Rosa Wolff berichtet, wie es zu dem Experiment kam (die Zeitung für die sie freiberuflich tätig war, wurde eingestellt und sie über Nacht ohne Existenzgrundlage) und wie sich jeder einzelne Tag essenstechnisch so gestaltet hat. Von den Einkäufen, über die Zubereitung bis hin zur Cent- und Kaloriengenauen Abrechnung für jeden einzelnen Tag. Einen Monat hat sie durchgehalten. Verschärft wurden die Bedingungen dadurch, dass sie nur für 1 Person kochen musste, was die Sache immer verteuert und ihr Experiment im Monat Mai durchführte, was die Ernährung mit saisonalem Obst und Gemüse vor größere Herausforderungen stellt. Die Renner des Monats, Erdbeeren und Spargel, sind auch auf dem Höhepunkt der Saison, mit einem Budget für Nahrungsmittel von 4,34€ unerschwinglich teuer.

Frau Wolffs Experiment zeigt sehr deutlich, dass wenn man sich gut mit Hartz IV ernähren will, man sehr viel über Nahrungsmittel und ihre Zubereitung wissen muss, man viel Zeit mit dem Einkauf und der Zubereitung verbringen muss, um dann abends doch oft noch hungrig ins Bett zu gehen.

Nachdem wieder Alltag im Leben der Autorin eingekehrt war, kam sie zu dem Schluss, dass sie sich in diesen Wochen sehr wohl und fit gefühlt habe. Weil sie bewusster gegessen, nie achtlos nebenher gefuttert, sondern jede Mahlzeit zelebriert habe.

Wer sich nun in Sicherheit wiegen will, nach dem Motto, na bitte, geht doch, sollte bedenken, dass die Autorin sich freiwillig in dieses Experiment begeben hat, und wenn sie abends mit knurrendem Magen ins Bett gegangen ist, dann hätte sie es in ihrer Lage jederzeit unterbrechen können. Dieses Bewusstsein ist mit Sicherheit entscheidend, wie man sich fühlt. Ein Mensch, dem die Entscheidungsfreiheit genommen ist, Hunger zu haben oder nicht, wird das wohl ganz anders empfinden.

Das Buch enthält neben vielen Einschüben zu Themen wie diversen Bio-Projekten, regionalem Konsum, Tipps für eine Küchengrundausstattung, Resteverwertung und Kassenzettelkontrolle, auch alle Rezepte die im Buch vorkommen. Zusätzlich gibt es noch ein Kochbuch: Arm aber Bio!: Das Kochbuch. Feine Öko-Küche für wenig Geld.

Und auch wenn ich die Ansicht der Autorin, Biolebensmittel wären immer und in jedem Fall die besseren Lebensmittel, nicht teile, so sehr unterstreiche ich ihre Forderung, bei der täglichen Ernährung, auf Qualität zu achten.

Ach ja, essen ging mit diesem Budget, zu trinken gab es während der ganzen Zeit höchstens Tee, kein Saft, keine Limonade, kein Bier und keinen Wein.

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9 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Danke für den detaillierten Bericht. Über die Schwierigkeit, sich mit knappem Budget gesund und fair zu ernähren, muss noch einiges an Wissen unter die Leute gebracht werden!

  2. Das klingt wirklich sehr spannend und lesenswert. Ich würde das sicher nicht schaffen – ich gehe nicht gerne einkaufen, noch dazu in mehreren Läden, und lange hin und her zu überlegen ist nicht mein Ding.
    Das Problem ist doch, dass nicht jeder, der wenig Geld zur Verfügung hat, ausreichende Kenntnisse über gesunde Ernährung Familie gesund zu ernähren.

  3. Richtig ist sicher, dass man sehr viel über Nahrungsmittel und ihre Zubereitung wissen sollte, also informiert euch, es schadet auf keinen Fall!! Bio-Kochen kann sogar billiger sein als “Konventionell-Chemisch” und vor Allem, werden Sie sich ohne Gift besser fühlen. Infos bei richtig-essen.org

  4. @Anne´und Wortakzent ihr legt die Finger in die richtigen Wunden, Im Buch kommt das auch wirklich gut raus

    @Johanna: das kannst du selbst viel besser 🙂

    @Fredy Buri: konventionell = chemisch = Gift. Das finde ich schon eine ungeheuerliche und vor allem unhaltbare Behauptung. Ihr Blog beginnt mit den Worten, dass Sie neutrale und kompetente Beratung anbieten. Als neutral empfinde ich diesen Kommentar nicht…

  5. Ich persönlich kaufe gerne Bio, aber nicht immer und nicht bei jeder Produktgruppe, regional sofern ohne extremen Mehraufwand zu erreichen (d.h. ich fahre dafür nicht extra zum Bauern) – allerdings kaufe ich immer so wenig verarbeitet wie möglich. Und das auch schon, bevor bei mir Intoleranzen festgestellt wurden.
    Ich denke, Ernährung hängt extrem stark von der kindlichen Prägung ab. Bei uns wurden nie Obst, Gemüse, Konserven gekauft, sondern alles aus dem Garten gekocht. Und somit schmecken mir Rotkohl aus dem Glas oder Linsensuppe aus der Dose nicht. Unsere Klöße gab es allerdings immer aus der Packung, die mir – welch Überraschung – auch heute noch besser schmecken als jeder handgedrehte.
    Wie stark wir auf bestimmte Geschmacksrichtungen gepolt sind, habe ich jetzt gemerkt, als ich bestimmte Lebensmittel und Würzprodukte aus meiner Küche verbannen musste. Es hat Wochen gedauert, bis ich z.B. einen Weg gefunden habe, eine schmackhafte Salatsoße ohne Maggi (bin halt Saarländerin) oder Soyasoße zu basteln – aber es geht. Man muss probieren und auch die finanzielle Möglichkeit haben, bestimmte andere Produkte zu kaufen. Eine gekörnte Brühe ohne Hefe und Glutamate ist deutlich teurer und weniger ergiebig als das klassische Produkt.

    Und damit komme ich zu dem anderen von Dir erwähnten Punkt: man muss sich um seine Ernährung Gedanken machen und sich auskennen. Jeder weiß, welches Benzin ins sein Auto muss oder welcher Nagellack am besten trocknet, welche Jeans gerade in ist oder über was man meckern muss. Aber wenn es darum geht, welcher Treibstoff dem Körper am besten bekommt oder aber auch wie man Nahrung herstellt, sind viele Menschen erschreckend dumm und phlegmatisch.

  6. Danke Judith für diesen fundierten Kommentar, der das oben gesagte sehr schön ergänzt und einen Einblick gewährt in die Herausforderungen, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien so mit sich bringen

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