Rezension: Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod

Was für ein Titel. Beim ersten Lesen fand ich ihn eher bescheuert. Dann nur noch anders und letztendlich hat er mich neugierig gemacht. Und auch der Klappentext machte neugierig:

Im Herbst 1950 kommt der junge Wiener Historiker Max Schreiber in ein Tiroler Bergdorf, um einem alten Geheimnis auf den Grund zu gehen. Konfrontiert mit der archaischen Bergwelt und der misstrauischen Dorfgemeinschaft , fühlt er sich mehr und mehr isoliert. In seiner Einsamkeit verliert er sich in der Liebe zu einer jungen Frau, um die jedoch auch ein anderer wirbt. Als ein Bauer unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt, ein Stall lichterloh brennt und der Winter mit ungeheurer Wucht und tödlichen Lawinen über das Dorf hereinbricht, spitzt sich die Situation dramatisch zu. Schreiber gerät unter Mordverdacht und verschwindet spurlos – nur seine Aufzeichnungen bleiben zurück.

Mehr als ein halbes Jahrhundert später will ein alter Mann endlich die Wahrheit wissen. Von seinen eigenen Schatten verfolgt, begibt er sich auf Spurensuche in die Vergangenheit.

Raffiniert, voller Rhythmus und Poesie erzählt Gerhard Jäger von der Magie, aber auch von der Brutalität eines Ortes, der aus Raum und Zeit gefallen scheint.

Was es auch war, das wunderschöne Cover, der einsame Wanderer in einer Schneelandschaft, der merkwürdige Titel oder die versprochene Poesie, meine Neugier war geweckt.

Rezension Gerhard Jäger

Mehr als den Klappentext will ich euch zum Inhalt des Buches auch gar nicht erzählen. Ich will euch vielmehr verführen, dieses Buch unbedingt zu lesen.

Warum ich das möchte? Weil ich schon ewig kein Buch mehr gelesen habe, das mich von der ersten Seite an so gepackt hat. Weil ich dieses Buch nicht gelesen habe, sondern darin eingetaucht und versunken bin. Und ja ich weiß, das klingt jetzt alles vielleicht total pathetisch, aber genau so habe ich es empfunden und da ich keine Schriftstellerin bin, müsst ihr mit meiner vielleicht etwas unbeholfen enthusiastischen Beschreibung vorlieb nehmen.

Mit seinen Worten gelingt es Gerhard Jäger in seinem Erstlingswerk, Menschen und Dorf so zu beschreiben, dass man meint, schon ewig selbst Teil dieser Geschichte zu sein. Das Wirtshaus besucht, den Stimmen gelauscht, den Schnee gerochen und die Ablehnung gespürt zu haben. Vielleicht schon ewig in einer solchen Gemeinschaft gelebt oder als Fremder dazugestossen zu sein.

Wenn ich das Buch abends zugeklappt habe war es, als hätte ich mich von einem guten Freund verabschiedet. Einem Freund, dessen Wohl und Wehe mir wirklich am Herzen lag. Einem Freund, der ein wenig wunderlich ist und dem ich mich doch so nah gefühlt habe; in seiner Schrulligkeit, seiner Überheblichkeit, seinem Wunsch dazuzugehören. Mit dem ich mich freuen konnte und den ich nur allzu gerne vor Unheil bewahrt hätte. Und ist es nicht genau das, was ein wirklich gutes Buch ausmacht?

An einer Stelle beschreibt der Autor wie die Art des Pfarrers zu erzählen auf Max Schreiber wirkt:

Schreiber mochte seine Art zu erzählen: ein paar Sätze, ein bisschen Stille, in der sich diese Geschichte ausdehnen durfte, Platz nehmen durfte in Schreibers Innerem.

Und ja, die Geschichte hat in meinem Inneren Platz genommen. Die Geschichte von Dr. Max Schreiber, Historiker aus Wien und seinem Cousin aus Amerika, der Jahrzehnte später den Ort der dramatischen Ereignisse aufsucht und versucht die Schuldfrage zu klären.

Möchtet ihr noch ein Beispiel für den wunderschönen Erzählstil?  Das ist einer der ersten Romane, in dem ich wichtige Sätze, wie in eimem Sachbuch, unterstrichen habe. Weil ich mich daran erfreuen kann. Und weil schöne Sätze kleine Schätze sind.

Und so war das Gerücht durch die Gassen getragen worden, von spitzen Mündern weitergegeben, dem greisen Pfarrer im Beichtstuhl zugetragen, hatte den alten Kühbauer und seine Söhne unter der unbarmherzigen Augustsonne auf einem rot verbrannten Feld überrascht, war an den fleckigen Tischen des einzigen Gasthauses Thema gewesen, während die abgegriffenen Karten durch die Finger wanderten.

Nur ein einziges Mal konnte ich Gerhard Jäger bei einer Wendung nicht folgen. Aber darüber würde ich gerne mit euch sprechen, wenn ihr das Buch auch gelesen habt.
Ich hoffe es ist mir gelungen diesen Wunsch in euch zu wecken.

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod  Verlag: Blessing 2016, 400 Seiten
ISBN: 978-3-89667-571-2 € 22,99 [D] | € 23,70 [A] | CHF 30,90* (* empfohlener Verkaufspreis)

Meine enthusiastische Rezension hat nichts damit zu tun, dass ich dieses Buch freundlicherweise vom Blessing Verlag zur Verfügung gestellt bekommen habe.

Apfelmusige Grüße

Andrea

PS: Und hier könnt ihr noch ein bisschen reinlesen. Sollte ich euch mit meiner Begeisterung angesteckt haben, oder ihr es schon vor mir gelesen haben, dann hinterlasst doch bitte einen Kommentar.


Das könnte Euch auch interessieren:

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Andrea,

    wie wunderbar, ich war sofort neugierig und habe mir das Buch bestellt!
    Lieben Dank! Und viele Grüße Eva

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert