Fastenzeit Momente: „Wer bist Du süßes Licht“ von Edith Stein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer bist du, süßes Licht, das mich erfüllt
und meines Herzens Dunkelheit erleuchtet?
Du leitest mich gleich einer Mutter Hand,
und ließest du mich los,
so wüßte keinen Schritt ich mehr zu gehen.
Du bist der Raum, der rund
mein Sein umschließt und in sich birgt.
Aus dir entlassen, entsänk‘ es
in den Abgrund des Nichts,
aus dem du es zum Licht erhobst.
Du, näher mir als ich mir selbst
und innerlicher als mein Innerstes
und doch untastbar und unfaßbar
und jeden Namen sprengend:
Heiliger Geist – ewige Liebe!

Bist du das süße Manna nicht,
das aus des Sohnes Herzen
in mein Herz überströmt,
der Engel und der Sel’gen Speise?
Er, der vom Tod zum Leben sich erhob,
er hat auch mich zu neuem Leben auferweckt
vom Schlaf des Todes.
Und neues Leben gibt er mir von Tag zu Tag,
und einst soll eine Fülle mich durchfluten
Leben von deinem Leben – ja du selbst:
Heiliger Geist – ewiges Leben!

Bist du der Strahl, der von des ew’gen Richters
Thron herniederzuckt
und einbricht in die Nacht der Seele,
die nie sich selbst erkannt?
Barmherzig – unerbittlich
dringt er in verborg’ne Falten.
Erschreckt vom Anblick ihrer selbst
gewährt sie Raum heiliger Furcht,
dem Anfang jener Weisheit,
die aus der Höhe kommt.

Edith Stein (* 12. Oktober 1891 in Breslau; † 9. August 1942 im KZ Auschwitz-Birkenau)

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